25. Juli 2020
Biotech-Boom: Können Anleger weiter auf der Übernahmewelle surfen?

Investmentthemen: Gesundheit und Biotechnologie

Keine andere Branche steht seit Monaten mehr im Zentrum der Medienöffentlichkeit als der Gesundheitssektor und die Biotechnologie. 

„Neun Zehntel unseres Glücks beruhen allein auf der Gesundheit. Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses: Hingegen ist ohne sie kein äußeres Gut, welcher Art es auch (sei), genießbar“, das wusste schon der 1788 in Danzig geborene deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer. In die gleiche Richtung geht ein anderes, weit bekannteres von ihm überliefertes Zitat: „Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Wer mag wohl diesem weisen Spruch, der mittlerweile als geflügeltes Wort in die Alltagssprache einfloss, in Zeiten des Coronavirus widersprechen? Schließlich opferten und opfern noch weite Teile der Weltbevölkerung für die Gesundheit einen Großteil ihrer sonst gewohnten Freiheit. Und alle Hoffnung der Menschen beruht derzeit auf dem Gesundheitssektor und der Biotechnologie, entsprechende Medikamente und Impfstoffe gegen das neue Virus zu entwickeln.

Weltweit stehen derzeit die Pharmaunternehmen im Wettstreit und arbeiten fieberhaft an der Entwicklung eines geeigneten Präparats. „Laut einer Datenbank der Weltgesundheitsorganisation wurden bis zum 19. März weltweit mehr als 1.500 Arbeiten und Artikel über das Coronavirus veröffentlicht. Ein solches Forschungsvolumen und der rasche Fortschritt in den verwandten Technologien ist ermutigend bei unserer Suche nach einem neuen Impfstoff und könnte auch die Zeit bis zur Markteinführung eines solchen Impfstoff s drastisch verkürzen: Die WHO rechnet mit etwa 18 Monaten – ein enormes Tempo, wenn man die durchschnittliche Entwicklungszeit von etwa 10,7 Jahren betrachtet“, berichtete das Research-Team des ETF-Emittenten L&G.

Corona-Impfstoff nicht mehr in 2020 zu erwarten

Trotz aller Fortschritte ist die Entwicklung eines geeigneten Impfstoffes in diesem Jahr jedoch nicht mehr zu erwarten, frühestens ab 2021. Da dieser somit für die derzeitige Coronapandemie nicht zum Einsatz kommt, fokussieren sich viele Unternehmen auf bereits schon zur Verfügung stehende antivirale Medikamente, die bereits gegen Ebola, HIV, Hepatitis C, SARS oder MERS eingesetzt wurden. Hoffnung setzt man dabei auch auf sogenannte Immunmodulatoren oder Medikamente gegen Lungenerkrankungen. Als am erfolgversprechendsten gilt das Medikament Remdesivir, welches von Gilead Sciences ursprünglich gegen Ebola-Infektionen entwickelt wurde, aber bereits gegen SARS erfolgreich eingesetzt wurde. In mehreren Studien wird dies derzeit getestet. Gleiches gilt derzeit für das Malariamittel Chloroquin, das sich bei klinischen Tests in China erfolgreich erwiesen habe im Kampf gegen das SARS-Covid-2-Virus. Zahlreiche andere Medikamente werden aktuell ebenfalls getestet.

Medizinischer Erfolg nicht automatisch ein kommerzieller Erfolg

Unternehmen, die bei einer Entwicklung eines geeigneten Medikamentes oder Impfstoffes die Nase vorn haben, dürften in jedem Fall einen Imagegewinn erzielen. Zudem fließen in solchen Zeiten auch überdurchschnittliche Forschungsgelder in die Branche. Ob das erfolgreiche Präparat tatsächlich aber auch ein wirtschaftlicher Erfolg wird, ist nicht gewiss. Die Entwicklung eines neuen Medikamentes oder Impfstoff es dauert oft Jahre und verschlingt häufig Milliardenbeträge. Handelt es sich beim Coronavirus zum Beispiel um eine einmalige Pandemie, so bleibt der kommerzielle Erfolg für das Unternehmen sehr begrenzt und macht sich kaum beim Umsatz bemerkbar. Bleibt hingegen das Virus langfristig erhalten und hilft der Impfstoff auch gegen mutierte Viren, können Milliardengewinne winken. Und bei Medikamenten gilt im Allgemeinen: Der kommerzielle Erfolg hängt in großem Maße von den klinischen Tests ab. Scheitern diese, sind die Milliardeninvestitionen in den Sand gesetzt, die Aktien betreffender Unternehmen fallen dann oft deutlich. Anleger müssen aus diesem Grunde in diesem Bereich mit größeren Schwankungen rechnen.

Langfristiger Erfolg

Selbstverständlich hat die Coronakrise zwischenzeitlich auch Aktien der Gesundheits- und Biotechnologiebranche belastet, mittlerweile notieren sie aber wieder im Plus. Das liegt auch daran, dass beide Branchen vergleichsweise krisenresistent sind, weil Medikamente zu allen Zeiten benötigt werden. Zudem dürften beide Branchen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Mängel wurden aufgedeckt und teilweise behoben, die Telemedizin dürfte infolge der Ausgangssperren einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht haben.

Größter langfristiger Wachstumstreiber ist jedoch die wachsende Weltbevölkerung, die von heute 7,2 Milliarden bis zum Jahr 2030 auf 8,5 Milliarden Menschen anwächst. Dabei werden die Menschen immer älter. Bereits 2023 sind laut „2020 Global health care outlook“ der Consultingfirma und Wirtschaftsberatung Deloitte weltweit 686 Millionen Menschen über 65 Jahre alt.

Die Ausgaben auf dem globalen Markt für geriatrische Versorgung (Gesundheit zu Hause, Fernüberwachung von Patienten usw.) werden danach bis 2023 voraussichtlich 1,4 Billionen US-Dollar übersteigen. Mit einer wachsenden Mittelschicht nehmen auch die verhaltensbedingten Wohlstandskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Lungenkrebs sowie Infektionen der unteren Atemwege zu. So lebten im Jahr 2017 fast 425 Millionen Menschen mit Diabetes; bis 2045 wird diese Zahl voraussichtlich um 48 Prozent auf 629 Millionen ansteigen. Die Anzahl der Demenzkranken dürfte von derzeit 50 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 152 Millionen ansteigen. Auch psychische und neurologische Krankheiten nehmen zu und stellen die beiden Branchen vor neue Herausforderungen. Zudem gibt es derzeit über 6.000 seltene Krankheiten, die noch nicht heilbar sind.

66 Prozent aller Medikamente beruhen auf Biotechnologie

Bisher beschränkte sich die Pharmaforschung auch aufgrund der hohen Kosten auf die bekanntesten Krankheiten. Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ermöglicht nun der Biotechnologie, kosteneffizient auch für diese seltenen Erkrankungen, unter der allein innerhalb der EU rund 30 Millionen Menschen leiden, Medikamente zu entwickeln. So beruhen bereits jetzt zwei Drittel der neu entwickelten Präparate auf der Biotechnologie. Weitere Impulse kommen von der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, die auch in immer breiterem Maße in die Medizintechnik einfließt. So wird der digitale Gesundheitsmarkt laut einer aktuellen Roland-Berger-Studie bis zum Jahr 2025 auf 155 Milliarden Euro anwachsen. Davon entfallen allein auf Deutschland 38 Milliarden Euro. Weltweit größter Gesundheitsmarkt ist mit großem Abstand die USA mit 3,6 Billionen US-Dollar und 16,9 Prozent des jährlich erwirtschafteten BIP. Auch sind dort die weltweit größten Gesundheits- und Biotechnologiefirmen beheimatet. Die hohen Gesundheitskosten sind vor allem auf hohe Medikamentenpreise und eine uneffektive Gesundheitsverwaltung zurückzuführen. Trotz der hohen Ausgaben liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der US-Amerikaner unter der vieler anderer Staaten.

Bis 2030 werden die OECD-Länder nach Berichten der Organisation im Schnitt voraussichtlich rund 10,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Gesundheitskosten aufwenden. 1,4 Prozentpunkte mehr als bisher. Damit wachsen die Gesundheitsausgaben in fast allen OECD-Ländern schneller als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Davon profitieren Gesundheits- und Biotechnologiefirmen weltweit. So steigen laut Deloitte-Prognosen allein die Umsätze für verschreibungspflichtige Medikamente von 830 Milliarden US-Dollar auf gut 1,2 Billionen US-Dollar.

Mit ETFs in globale Gesundheitsaktien investieren

Ein Investment in die beiden Branchen kann sich also für den Anleger lohnen. Kein Wunder also, dass allein 18 ETFs auf die Gesundheitsbranchen der unterschiedlichsten Anlageregionen im Angebot sind.

Gerade für Kleinanleger, die einen solchen ETF als Satellit um ihr global breit gestreutes Basisportfolio herum platzieren möchten, empfiehlt sich in der Regel ein weltweit investierendes Branchenprodukt. Ein solches ist der Xtrackers MSCI World Health Care UCITS ETF (WKN: A113FD), in dem mehr als 400 Millionen Euro investiert sind. Er umfasst aktuell 145 Aktien. Besonders stark gewichtet darin sind zu rund zwei Drittel US-Aktien, der überwiegende Rest entfällt auf die Schweiz, Japan, Dänemark, Deutschland und andere europäische Staaten. Zu den Top-Positionen im ETF gehören Johnson & Johnson, Roche, United Health, Merck, Pfizer oder auch die Biotech-Firma Amgen. Die Dividendenrendite des ETF beträgt 1,97 Prozent.

Und auch in der Krise zeigte sich der ETF nahezu resistent gegenüber der Abwärtsentwicklung. Während der MSCI World (Stand: 11.05.2020) im laufenden Jahr trotz Erholungsphase noch mit -knapp elf Prozent im Minus notiert, legte der ETF um 2,39 Prozent zu. Das entspricht immerhin einer Überrendite von mehr als dreizehn Prozentpunkten. Alternative dazu auf denselben Index ist das Produkt von Lyxor (WKN: LYX0GM) mit nahezu identischer Rendite, allerdings ist dies ein synthetisch replizierender ETF.

Auf globale Innovationstreiber setzen

Der iShares Health Care Innovation UCITS ETF (WKN: A2ANH2) setzt hingegen auf die Unternehmen, die hohe Umsätze aus Sektoren generieren, die auf die Erweiterung des aktuellen Stands der medizinischen Behandlung und Technik fokussiert sind. Referenzindex ist der STOXX FactSet Breakthrough HC NR USD. Der ETF umfasst 117 Aktien – zwei Drittel aus den USA, der Rest entfällt auf Industriestaaten in Europa und Asien. Im Gegensatz zu den beiden anderen ETFs setzt er auf Aktien weniger bekannter Unternehmen wie Seegene aus Südkorea oder US-Firmen wie Ra Pharmaceuticals, Momenta Pharmaceuticals oder Quidel. Er liegt sogar mit 7,54 Prozent im Plus.

Verschiedene Anlageregionen

Hat ein Anleger größere Geldbeträge zur Verfügung und möchte per Branchen-ETFs regionale Ungleichgewichte im Portfolio ausgleichen, kann er auf spezielle, eingegrenzte Anlageregionen setzen. So investieren zahlreiche ETFs in US- oder auch europäische Unternehmen. Besonders beliebt ist der iShares S&P 500 Health Care Sector UCITS ETF (WKN: A142NZ) mit einem Fondsvolumen in Höhe von rund 1,44 Milliarden Euro, der die 60 Gesundheitsunternehmen aus dem S&P 500 umfasst. Zu den Top-Positionen zählen Johnson & Johnson, United Health, Merck & Co. sowie Pfizer. Der ETF ist bei neun verschiedenen Direktbanken sparplanfähig. Mit einer Gesamtkostenquote (TER) von nur 0,15 Prozent zählt er zu den kostengünstigsten ETFs auf die Branche.

Alternative dazu ist mit einer TER von 0,12 Prozent der noch etwas kostengünstigere Xtrackers MSCI USA Health Care UCITS ETF (WKN: A1W3GB), allerdings ist er mit einem Fondsvolumen von 541 Millionen Euro und einem XLM von 79,57 (iShares: 55,61) nicht ganz so liquide, so dass etwas höhere Handelskosten anfallen. Mit 74 Aktientiteln ist der ETF etwas breiter gestreut, bei den Top-Positionen gibt es keine Unterschiede. Hinsichtlich der Rendite hat der Xtrackers-ETF aktuell leicht die Nase vorn.

Auf europäische Gesundheitstitel setzt hingegen der iShares Stoxx Europe 600 Health Care UCITS ETF (WKN: A0Q4R3). Mit einem Fondsvolumen von 656 Millionen Euro und einem Xetra-Liquiditätsmaß von 31,35 ist er der liquideste. Er umfasst 54 Titel. Zu den Top-Positionen zählen Roche, Novartis, AstraZeneca sowie Sanofi. Mit einer Gesamtkostenquote von 0,46 Prozent ist er zwar von den ETFs im Segment der teuerste, allerdings fallen aufgrund der höheren Liquidität geringere Handelskosten an.

Alternative auf den gleichen Referenzindex ist der Lyxor Stoxx Europe 600 Health Care UCITS ETF (WKN: LYX02K). Mit einer Gesamtkostenquote von 0,30 Prozent ist er, wie bereits erwähnt, etwas billiger. Der Index wird hierbei allerdings nicht physisch, sondern synthetisch abgebildet. Auf den MSCI Europe Health Care-Index setzt hingegen ein ETF von State Street (WKN: A1191S). Mit 35 Aktien ist er etwas weniger breit gestreut, hinsichtlich der Top-Positionen ergeben sich jedoch keine Unterschiede zu den beiden zuvor genannten Produkten.

Biotechnologie ist mehr als Gesundheit

Auch wenn die sogenannte „rote Biotechnologie“, ein sehr wesentlicher Gesundheitsbereich ist, gibt es darüber hinaus noch die „weiße Biotechnologie“ für biotechnologische Herstellungsverfahren sowie die „grüne Biotechnologie“ für landwirtschaftliche Anwendungen. Auf dem Markt befindliche Biotechnologie-ETFs haben jedoch allein den Pharmasektor im Fokus.

ETFs auf Biotechnologie

Weltweit breit gestreute ETFs auf diesen Teilbereich der Biotechnologie sucht der Anleger allerdings noch vergeblich. Bisher kann er fast ausschließlich in US-Biotech-Unternehmen investieren. Der Invesco NASDAQ Biotech UCITS ETF (WKN: A12CCJ) ist mit einem Fondsvolumen von knapp 522 Millionen Euro der bei den Anlegern beliebteste. Über 92 Prozent der Aktien sind US-Unternehmen, der Rest entfällt auf Europa und Asien. Größte Werte im synthetisch abgebildeten Referenzindex sind hier Amgen, Biogen, Gilead Sciences, Celgene und Illumina. Die TER des ETFs beträgt 0,40 Prozent.

Fazit

Der Gesundheitssektor und die Biotechnologie stehen in der Coronakrise im Zentrum des öffentlichen Interesses. Telemedizin, die Behandlung seltener Krankheiten auf Basis der Entschlüsselung des menschlichen Genoms sowie die künstliche Intelligenz revolutionieren die Branche. Die langfristigen Gewinnaussichten sind gut.

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